Even Mehl Amundsen im Interview

Even Mehl Amundsen, freiberuflicher Concept Artist aus Norwegen, war bereits für verschiedene namhafte Studios tätig. In seinem Portfolio finden sich viele bekannte Fantasy Charaktere: Elfen und Orks, Zauberer, Drachen sowie andere mystische Wesen. Der Norweger wirkte unter anderem für Volta Studio Canada bei der Umsetzung des Games Lord of the Rings Online mit. Mit TEGN veröffentlichte er Skizzen und eigene Charaktere, die er im Laufe eines Jahres gezeichnet hat.
Aktuell hat Even auch eine Kickstarter Kampagne am Laufen
(https://www.kickstarter.com/projects/spiridon/decade-sketchbook-by-even-mehl-amundsen).

Wir trafen den erfolgreichen Concept Artist auf der Playground in Berlin. Im Interview erzählte Even Mehl Amundsen über seine künstlerische Ausbildung. Weiterhin hatte er Tipps parat für alle Zeichner, die sich auf dem Markt etablieren möchten.

M: Hi Even, schön, dass wir dieses Interview führen können.
Wie hast du angefangen, zeichnen zu lernen und wie ist es dir gelungen, die Anatomie von Menschen und Tieren offensichtlich zu perfektionieren? Würdest du sagen, dass das wichtig ist?

E: Beim Zeichnen spielen die Basisdisziplinen wie Anatomie, Farblehre, Bildkomposition oder Bewegung eine wichtige Rolle. Anatomie ist also definitiv ein wichtiger Grundbaustein, auch wenn es etwas mühsam sein kann, sie zu lernen. Ich erhielt keine spezifische akademische Ausbildung dafür.
Deswegen lerne ich während des Zeichnens. Und zwar so: Ich zeichne so lange, bis ich auf ein Problem stoße, bei dem ich nicht mehr weiter weiß. Dafür suche ich mir relevantes Lernmaterial. Beim Lernen habe ich immer meine Fragestellung vor Augen. Wenn ich herausgefunden habe, wie es funktioniert, kann ich das Gelernte auf meine Skizze übertragen.

 

M: Du hast erwähnt, dass du keine akademische Ausbildung genossen hast. Hast du komplett autodidaktisch gelernt oder hast du eine Art Kunstschule besucht?

E: Ich war auf einer nicht akademischen Kunstschule. Unser Lehrer war wirklich gut. Aber die meisten Lehrkräfte waren halbprofessionelle Künstler, die ihr Einkommen durch ihre Lehrtätigkeit aufbesserten. Das führte zu einem Verlust von akademischen Lehrinhalten. Uns wurde nicht beigebracht, beispielsweise anatomische Studien anzufertigen. Das war Segen und Fluch zugleich. Denn auch wenn es schwerfällt, Anatomie zu lernen, habe ich mich doch geärgert, erst in meinem 24. Lebensjahr ein Interesse dafür zu entwickeln. Mit den richtigen Grundlagen wären mir viele Schwierigkeiten erspart geblieben.

M: Ich verstehe. Trotzdem bist du ein erfolgreicher Künstler geworden, wie man unschwer an deiner Kunst erkennen kann. Gibt es trotzdem Dinge, die dir schwerfallen? Magst du vielleicht einige Schwierigkeiten nennen, die zu überwinden versuchst?

E: Ich komme definitiv aus dem Zeichnen. Deswegen ist es schwierig für mich, mich auf das Malen, auf das Zusammenspiel von Farben zu verlassen und nicht auf die Vision von Linien. Farbe ist für mich ein strategisches Werkzeug, für das ich noch etwas Zeit aufbringen muss, um es richtig gut zu beherrschen. Das ist etwas, das ich verbessern möchte. Ich habe eine Arbeitsweise entwickelt, die weitaus analytischer ist als emotional. Ich sollte versuchen, wieder emotionaler zu arbeiten, aber das wird etwas dauern.

M: Interessant zu hören, dass man auch als Profi noch an sich arbeiten muss.

E: Meine größte Schwäche sind Landschaften. Es ist immer so: „Oh, den Hintergrund kann ich ausschalten …“ Einen Hintergrund so zu gestalten, dass er von selbst funktioniert, ist schwer und etwas, dem ich mehr Zeit widmen sollte. Und dann hat der Tag zu wenige Stunden und es gibt so viele andere Dinge, um die ich mich kümmern muss.

M: Richtig. Ich denke, wir haben alle mit dieser Zeitfrage zu kämpfen. Was möchtest du jungen Künstlern mitteilen, die gerade am Anfang ihrer Karriere stehen? Was können sie erwarten, was sollten sie anstreben?

E: Einige Dinge sind wichtig, wenn man in diese Branche einsteigen möchte.
Zeichnen nimmt den größten Teil des Lebens in Anspruch. Das bedeutet auch Stress. Damit der Stress nicht überhandnimmt, ist es wichtig, auch mal ein Stück zurückzurudern und etwas für sich zu tun.
Zeichnen ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Es wird dich formen. Warum möchtest du zeichnen? Finde es heraus. Nimm dir Zeit, arbeite langsam und versuche es einfach! Auch wenn es klischeehaft klingt: Versuche, niemanden zu kopieren, sondern du selbst zu sein.
Einfach schöne Bilder zu malen, reicht nicht aus. Du solltest etwas zu sagen haben - ganz gleich, was es ist.
Kunst ist nur eine Sprache, die du lernst. Wenn du nichts zu sagen hast, ist sie wertlos.

M: Vielen Dank, das war sehr inspirierend!

Das Interview führte Maxim Krioukov