Wildschwein, Ratte und Haifisch beim Souper

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Ein in seine Fibel vertiefter Lehrer mit Eselskopf vor einer Klasse vogelköpfiger Kinder; Wildschwein, Ratte und Haifisch beim Souper; eine trauernde Katze am ärmlichen Sterbebett einer Maus – der französische Zeichner Grandville war ein Meister der anthropomorphen Karikatur. Mit seinen Mischwesen illustrierte er in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeitgenössische und klassische Literatur und war bis zu seinem frühen, tragischen Tod als politischer Karikaturist erfolgreich.

An der Schule für Bildende Kunst und Gestaltung machte Alexandra Müller die gestalterischen Möglichkeiten, die sich aus Verbindungen von Mensch und Tier ergeben können, zum Leitthema ihres Seminars “Theorie und Praxis nach Grandville”. “Es ging darum, mögliche Beziehungen zwischen Mensch und Tier herauszuarbeiten, Fragen wie ‘Wie fühlen wir uns mit einem Tier verbunden?’ zu stellen, Fusionen zu imaginieren und künstlerisch umzusetzen”, erklärt Alexandra Müller.

Bildelemente, symbolische Bedeutungen und die sozialkritische Dimension

“Zum Einstieg in das Seminar haben wir uns einen Animationsfilm über Waldtiere angesehen, in dem der Lebensraum der Tiere akut bedroht wird: Die Industrie frisst sich in den Wald hinein, ein für die Tiere existentieller Konflikt baut sich auf”, erzählt SBKG-Student Nikolai Solowjow. Die Elemente dieser Bilder, symbolische Bedeutungen der einzelnen Tiere in unserer Vorstellung, aber auch die sozialkritische Dimension der filmischen Erzählung wurden dann im Seminar analysiert und diskutiert.

“Wir haben danach die Auseinandersetzung mit dieser Thematik in freier Interpretation mit Zeichnungen, Malerei und Collagen künstlerisch bearbeitet”, sagt SBKG-Student Peter Kupferschmitt. “Dabei war es wichtig, immer die inhaltlichen und gedachten Beziehungen von Mensch und Tier im Auge zu behalten und diese in einem gegenseitigen Zusammenspiel zu verbinden”, ergänzt Alexandra Müller.

Die eigenen Grenzen erkennen und darüber hinausgehen

Unterfüttert wurde die künstlerische Arbeit durch eine Rechercheaufgabe: Die Studenten sollten anhand Grandvilles Buch ‘Bilder aus dem Staats- und Familienleben der Tiere’ (Scènes de la vie privée et publique des animaux) – eine Satire auf die politischen Verhältnisse in Frankreich vor der bürgerlichen Revolution von 1848 – Strategien zum Finden eigener Bildideen und deren praktischer Umsetzung entwickeln.

“Das war schon sehr anspruchsvoll, hat aber auch eine Menge Spaß gemacht!”, erzählt Peter Kupferschmitt. “Jeder musste über den eigenen Tellerrand schauen.” Nikolai Solowjow ergänzt: “Jeder musste eigene Grenzen erkennen und überlegen, wie er darüber hinausgeht. Das hat manchmal schon ein Downgefühl mit sich gebracht. Hat aber andererseits auch einen Kick gebracht, wenn wir Konflikte im Gespräch auflösen konnten und danach besser und intensiver mit der Thematik umgehen konnten.”

Arbeiten auf mehreren Ebenen: praktisch, theoretisch und psychologisch

“Obwohl die Voraussetzungen bei den Seminarteilnehmern sehr unterschiedlich und die Startsituation anfangs etwas ziellos war, haben sich schon sehr bald intensive Gespräche ergeben – und danach musste ich als Dozentin kaum noch eingreifen. Durch die Dynamik, Konflikte im offenen Gespräch lösen zu können, entwickelte sich in der Gruppe schon bald ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Man kann sagen, die Gruppe arbeitete auf mehreren Ebenen: praktisch, theoretisch und psychologisch”, berichtet Alexandra Müller.

Ihre Zielsetzung, den Studenten etwas Sinn für strukturiertes Arbeiten nahezubringen, sieht Alexandra Müller erfüllt. “Grandvilles Buch zum Staats- und Familienleben der Tiere besitzt einerseits totale Struktur ist aber auf der anderen Seite auch extrem verspielt. Ich denke, die Studenten haben verstanden, dass jeder für sich eine Struktur braucht, auf der er dann künstlerisch improvisieren kann.”

Die Ergebnisse des Seminars wurden auf der Ausstellung mit dem Titel “Bankett der Irrmaisen” in den Räumen der Kunstschule der Öffentlichkeit vorgestellt.

Beitragsbild: Seminararbeit von Polina Ugarova